Von Negativzinsen und „Verwahrentgelten“

Banken verlangen von Ihren Kunden zunehmend Negativzinsen, die meist als „Verwahrentgelte“ bezeichnet werden. Dies gilt mittlerweile keineswegs nur für Geschäftskunden, sondern auch für die Giro- und Tagesgeldkonten von Privatkunden. Insbesondere in der Presse wird aktuell immer häufiger von Banken berichtet, die versuchen von ihren Kunden Negativzinsen zu verlangen. So schrieb etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 21.01.2020 im Artikel „Klage: Kampf gegen Minuszinsen auf dem Girokonto“ kürzlich darüber. Auch die Bild-Zeitung berichtete erst kürzlich unter der Schlagzeile: „Sparkassenverband: Negativzinsen für Neukunden im Osten wahrscheinlich„. Dabei liegen die Fälle hier nicht gleich, denn es ist schon ein erheblichen Unterschied, ob es um Neu- oder Altkunden geht.

Spar- und Festgeldkonten sind längst keine sicheren Anlageformen mehr, die als Garanten für regelmäßige Erträge gelten können. Nachdem die Zinsen im letzten Jahrzehnt kontinuierlich heruntergefahren wurden, wird nun die nennenswerte Überschreitung der 0 % – Hürde der seltene Ausnahmefall sein. Vielmehr sehen sich viele Kunden nun mit der Erhebung von Negativzinsen konfrontiert, die von Banken – nicht ohne Hintergedanken – gerne als „Verwahrentgelt“ deklariert werden.

Immer mehr Kreditinstitute erheben Negativzinsen

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) führte laut Information der Verbraucherschutzzentralen dazu, dass bislang schon über 150 Kreditinstitute in Deutschland dazu übergegangen sind, selbst Spareinlagen ihrer Kunden ab einer bestimmten Summe mit Minuszinsen zu belegen. Die Tendenz ist steigend. Wurden die üblicherweise als „Verwahrentgelt“ deklarierten Strafzinsen zunächst lediglich bei gewerblichen Kundenkonten erhoben, dehnen die Banken mittlerweile die Erhebung nun zunehmend auf den Privatkundenbereich aus.

Banken geben von EZB auferlegte Strafzinsen an Kunden weiter

Nach Beschluss der EZB vom 12.09.2019 müssen Banken ihre kurzfristig geparkten Liquiditätsreserven mit einem Strafzins von minus 0,5 % verzinsen. Um diese Belastung zu kompensieren, sind die Banken versucht, diese Belastung an ihre Kunden weiterzugeben. Neben dieser Intention steht natürlich auch das Bestreben, die von Negativzinsen betroffenen Sparguthaben in für die Banken gewinnträchtigere Anlagemodelle umzuschichten, denn Banken generieren so lukrative Provisionen.

Viele Kunden, ob nun private Sparer oder Geschäftskunden, erhalten oftmals auf elektronischem Kommunikationsweg zunehmend Schreiben, in denen es beispielsweise wie folgt heißt:

„Die geldpolitischen Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) haben seit 2014 dazu geführt, dass Banken für bei ihr gehaltene Einlagen ein Entgelt zu zahlen haben. Wir bitten Sie daher um ihr Verständnis, dass wir ab […….] ein Verwahrentgelt in Höhe der jeweils gültigen Einlagenfazilität der EZB abzüglich 0,25 % p.a. berechnen werden.“

Abschließend wird üblicherweise dafür geworben, die Guthaben in andere Anlageformen umzuschichten, wofür dann eine entsprechende Anlageberatung angeboten wird. Dass bei Kapitalanlagen dem in Aussicht gestellten Kapitalzuwachs regelmäßig Verlustrisiken gegenüberstehen, sei hier nur am Rande bemerkt.

Strafzinsen widersprechen dem Zinsbegriff des geltenden Zivilrechts

Dass es eher wenige Urteile zu dieser durchaus weitreichenden Rechtsfrage gibt, erstaunt nur auf den ersten Blick. Eine medienwirksame Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes wie etwa vor einigen Jahren zu den Kreditbearbeitungsgebühren gilt es aus Sicht der Banken natürlich möglichst lange zu verhindern.

Bekanntheit erlangt haben mittlerweile von den Verbraucherzentralen erstrittene rechtskräftige Entscheidungen des Landgerichts Tübingen aus dem Jahr 2018, in denen das Gericht urteilte, dass das jeweilige Vorgehen der beklagten Bank hinsichtlich der Erhebung von Negativzinsen bei Altverträgen rechtswidrig war.

Es ist davon auszugehen, dass die Verbraucherschutzzentralen weitere Erfolge verbuchen werden, denn nach der überwiegenden Auffassung der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft sind negative Zinsen mit dem Zinsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht vereinbar und können daher nicht nachträglich bei Altverträgen erhoben werden. Mit dem Vertragstypus des Sparkontos sind Negativzinsen ohnehin nicht vereinbar, aber auch bei vielen bestehenden Giro- Tages- und Festgeldkonten ist die nachträgliche Einführung rechtlich nicht möglich. Die Banken beeindruckt dies freilich nicht, wissen Sie doch, dass sich die wenigsten Kunden wehren werden. Damit liegen sie wohl auch nicht falsch.

Kein Unterschied zwischen privaten Girokonten oder Geschäftskonten

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit von negativen Zinsen besteht oftmals rechtlich gar kein Unterschied, ob es sich um ein Geschäftskonto oder ein privates Girokonto handelt. Dass sich die relevante bisher ergangene Rechtsprechung auf Privatkonten bezieht, hat seinen Grund darin, dass es gerade die Verbraucherschutzzentralen waren, welche die Klageverfahren initiierten. Gerade viele Unternehmen sind darauf angewiesen, zeitweise hohe Sichteinlagen zu halten und daher besonders betroffen

Negative Zinsen im anderen Mäntelchen: „Verwahrentgelte“

Die Juristen auf Bankenseite empfehlen den Banken die Bezeichnung als „Verwahrentgelt“ und die Vermeidung des Begriffes Negativzinsen.

Hintergrund ist, dass durch die Umetikettierung versucht wird, die Einführung von Negativzinsen, deren Rechtswidrigkeit weithin anerkannt wird, auf Grundlage einer Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hinsichtlich zu erhebender Entgeltefür „Bankleistungen, die von Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischer dauerhaft in Anspruch genommen werden“ zu stützen. Juristisch ist die Bezeichnung jedoch gleichgültig, denn es ist allein auf die wirtschaftliche Funktion abzustellen.

Allerdings verbirgt sich für die Bankkunden hier zudem ein Haken, denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken kennen unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte Zustimmungsfiktion zu der vorab mitgeteilten Änderung der Geschäftsbedingungen. So gilt die Zustimmung des Kunden zur Änderung als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor Wirksamwerden vor dem von der Bank vorgeschlagenen Zeitpunkt anzeigt. Zu beachten ist, dass die Banken das Änderungsangebot zur Einführung von Verwahrentgelten oftmals elektronisch übersenden dürfen, was dazu führt, dass viele Kunden diese gar nicht rechtzeitig zur Kenntnis nehmen.

Damit ist die Bank natürlich nicht auf der sicheren Seite, denn, dass bei Altkonten neben der Kontoführungsgebühr zusätzlich Verwahrentgelte eingeführt werden können, wurde vom Landgericht Tübingen beispielsweise  bereits abgelehnt. Mit Erhalt der Ankündigung der Erhebung von „Verwahrentgelten“ sollten Privatkunden wie Unternehmenskunden sich jedoch umgehend rechtlich beraten lassen.

Haben Kunden eine Chance?

Privat- und Geschäftskunden, deren Bank die Erhebung von Straf- oder Negativzinsen angekündigt hat, sind nicht schutzlos gestellt. Von Minuszinsen betroffenen Bankkunden wird geraten, eine Neukonditionierung nicht widerspruchslos hinzunehmen, ohne die Verträge zuvor von einer erfahrenen Rechtsanwaltskanzlei prüfen zu lassen.

Lohnt sich die Einschaltung eines Rechtsanwaltes?

Natürlich hofft man auf Bankenseite, dass Kunden Negativzinsen bzw. „Verwahrentgelte“ ohne Gegenwehr hinnehmen. Gerade bei hohen Guthaben, insbesondere Sparguthaben und bei Geschäftskunden dürfte die Konsultierung eines Rechtsanwaltes jedoch oftmals sinnvoll sein. Kostentransparenz ist für uns wichtig und wir informieren Sie selbstverständlich vorab umfassend. Besteht eine Rechtsschutzversicherung, erfragen wir gerne für Sie Deckungsschutz.

Gerne stehen Ihnen Schwarz | Mertsch Rechtsanwälte zur Verfügung.