Verbraucherschutz – Das Widerrufsrecht

Teil 1 –

Verbraucherschutzvorschriften ermöglichen dem Verbraucher in einer Vielzahl von Fallkonstellationen eine effektive Möglichkeit zu Ihrem Recht zu kommen. Schwarz | Mertsch RAe informiert Sie in einer neuen Artikelserie über die Möglichkeit sich durch die Erklärung des Widerrufs von Verträgen zu lösen. Möglich ist dies auch noch Jahre nach Vertragsschluss! Einige Voraussetzungen müssen jedoch gegeben sein:  Zunächst muss Ihnen überhaupt ein Widerrufsrecht zustehen. Und es muss geprüft werden, ob ein Widerruf nicht durch den Ablauf der Widerrufsfrist bereits unmöglich geworden ist. Ist aber eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft, so läuft das Widerrufsrecht grundsätzlich  „unbefristet“. Und das ist in einer Vielzahl uns bekannter Sachverhalte der Fall. So ist es etwa möglich, sich noch nach Jahren von teuren Darlehensverträgen zu trennen, denn viele Kreditinstitute haben Ihre Kunden nicht in der vom Gesetz geforderten Art und Weise über Ihr Widerrufsrecht belehrt. Auch bei geschlossenen Fondsbeteiligungen ist in vielen Fällen die Widerrufsbelehrung fehlerhaft. Ob es Sinn macht, auch in diesen Fällen den Widerruf zu erklären, ist genauestens zu prüfen.

 

Das Widerrufsrecht – Ein elementarer Bestandteil des Verbraucherschutzes

 

Rechtsdogmatisch basieren die Verbraucherschutzvorschriften im Wesentlichen auf dem Gedanken Vertragsparteien vor übereilt geschlossenen Verträgen zu schützen. Und genau hier greift das Widerrufsrecht ein. Denn es soll verhindern, dass Vertragsparteien ohne eine angemessene Interessenabwägung an einem Vertrag festgehalten werden, denn Sie eigentlich gar nicht wollten. Dabei wird berücksichtigt, dass nicht jedem ein Widerrufsrecht eingeräumt werden kann. Geschützt wird in der Regel der schwächere Vertragspartner. Und das ist meist der Verbraucher.

Das Widerrufsrecht blickt inzwischen auf eine lange Historie zurück. Verträge, die vor dem 1.10.2000 geschlossen wurden, können bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nach den §§ 7,19 Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) beziehungsweise nach den §§ 1, 9 Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) rückabgewickelt werden. Für Verträge, die ab dem 1.10.2000 bis zum Ablauf des 31.12.2001 geschlossen wurden, gilt § 361a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) wurde im Jahre 2002 das Widerrufsrecht in Anbetracht seiner Bedeutung als zentrale Vorschrift vollständig in das BGB überführt. Die entsprechenden Vorschriften sind in den §§ 355 bis 359 BGB zu finden. Diese gelten für Verträge, die ab dem 01.01.2002 geschlossen wurden, vorausgesetzt, das Gesetz räumt dem Verbraucher gemäß § 355 BGB ein Widerrufsrecht ein. Unabhängig von der Möglichkeit eines Widerrufsrechtes nach § 355 BGB ist es auch denkbar, dass die Vertragsparteien selbst ein Widerrufsrecht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches vereinbart haben. Das ist jedoch im Einzelfall zu beleuchten. In der Regel gibt es eine solche freiwillige Vereinbarung nicht.

Auf dem Rechtsgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts spielt das Widerrufsrecht in unterschiedlichen denkbaren Konstellationen eine Rolle: So finden die Verbraucherschutzvorschriften etwa beim Haustürgeschäft (§§ 312 ff. BGB), bei Fernabsatzverträgen (§ 312d BGB) oder bei Verbraucherdarlehensverträgen  (§ 495 BGB) Anwendung.

Ist dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt, so ist zu prüfen, innerhalb welcher Fristen der Widerruf erklärt werden muss. Diese Zeiträume hängen von unterschiedlichen Faktoren ab und sind in der Regel nur durch den Juristen zu beurteilen. Die unterschiedlichen, im Gesetz genannten Fristen, betragen 14 Tage und einen Monat. Zu beachten sind grundsätzlich auch die sogenannten Maximalfristen. Denn nach § 355 Abs. 4 S. 1 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss.

Wie soll es nun also möglich sein, einen Vertrag auch noch nach Jahren zu widerrufen? Die Lösung ist relativ einfach: Die Widerrufsbelehrung ist, aus welchem Gesichtspunkt auch immer, fehlerhaft. Denn wenn der Verbraucher nicht in eindeutiger und unmissverständlicher Weise über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, beginnt die Frist nicht zu laufen. Damit kann die Frist auch nicht ablaufen! Der Gesetzgeber hat es inzwischen auch in § 355 Abs. 4 BGB eindeutig so normiert. In selten gelagerten Fällen ist möglicherweise an die Verwirkung des Widerrufsrechts zu denken. Das muss aber im Einzelfall geprüft werden. Auch für Verträge, die noch nicht in den Anwendungsbereich der neuen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches fallen, gelten diese Grundbedingungen. Denn schließlich hat durch das SMG jahrelang geprägte Rechtsprechung endlich Einzug in das Gesetz gefunden.

Rechtsfolge eines erfolgreich erklärten Widerrufes ist die Rückabwicklung des Vertrages. Im Ergebnis wird der Verbraucher, ganz einfach ausgedrückt, so gestellt, wie er stehen würde, wenn er den Vertrag niemals geschlossen hätte. Die individuellen Faktoren der Rückabwicklung sind jedoch auch hier genau zu untersuchen.

In den später erscheinenden Veröffentlichungen zu dieser Artikelserie werden wir die unterschiedlichen Fallkonstellationen betrachten. So kann es unter Umständen außerordentlich lukrativ für einen Darlehensnehmer sein, seinen geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag bei Vorliegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu widerrufen. Denn für eine Vielzahl dieser Verträge sind immer noch sehr hohe Zinssätze zu bezahlen. Regelmäßig sind die Banken auch bereit, schon außergerichtlich eine entsprechende Vertragsanpassung vorzunehmen. Auch bei der Beteiligung an geschlossenen Fonds wird regelmäßig ein Widerrufsrecht eingeräumt. Die Rückabwicklung ist in diesen Fällen jedoch sehr genau zu beleuchten. Denn es handelt sich um unternehmerische Beteiligung. Unter gewissen Bedingungen wird daher die Rechtsfolge einer Widerrufserklärung von anderen Schutzvorschriften überlagert, sodass es für den Widerrufenden auch eine teure Entscheidung werden kann. Dies insbesondere in dem Fall, dass im Ergebnis eine negative Auseinandersetzungsbilanz vorliegen sollte. Wurde aber der Beitritt zu einer geschlossenen Fondsbeteiligung, häufig insbesondere bei geschlossenen Immobilienfonds, mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages verbunden, sieht es für den Anleger erheblich besser aus. Denn bei einem solchen verbundenen Vertrag ist die Möglichkeit einer Widerrufserklärung stets in Betracht zu ziehen.

 

Artikel zum Download und Drucken als PDF-Datei:

Verbraucherschutz – Das Widerrufsrecht – Teil 1

 

Lesen Sie auch: Teil 2 – Widerruf von Verbraucherdarlehen

 

Ansprechpartner: RA Christoph R. Schwarz, RA Christian Mertsch